The Ups and The Downs – Chapter 004

Lao:

Wasser war schon sehr faszinierend. Es ist die Basis des Lebens, es ist immer da. Und es fließt immer in eine Richtung.
Ich saß am Bach auf einem Stein und beobachtete das gleichmäßige Fließen des Wassers. Mit einem kleinen Stock tippte ich immer mal wieder in die Wasseroberfläche und blickte auf die Muster, die dadurch entstanden. Es war ruhig hier und ich einsam.

Es war nicht so, dass ich niemanden mochte und niemand mich mochte, aber ich war nicht so, wie alle anderen aus meiner Gemeinschaft.

„Lao, was machst du da?“, rief da schon eine Stimme.

Die anderen versuchten immer mich zu integrieren, mir ein gutes Gefühl zu geben, aber tief in mir wusste ich, dass ich trotzdem anders war. Ich schaute mich nur um, ohne etwas zu sagen.

„Wir wollen wieder ein wenig Ball in den Bäumen spielen, kommst du mit?“, schlug er vor.

„Du weißt doch, dass ich das nicht gerne tue…“, erwiderte ich bloß. Es war nicht so, dass ich Ball spielen nicht mochte, es war einfach nicht das Richtige für mich. Vor allem nicht in den Bäumen.

„Dann sei wenigstens der Schiedsrichter. Wir helfen dir auch!“, versicherte er mir.

Sein flehender Blick ließ mich seufzen. Sie gaben sich solche Mühe und ließen einfach nicht zu, dass ich einfach mal Zeit für mich hatte.

„Na gut“, stimmte ich schließlich zu.

Ich erhob mich, klopfte meine Kleidung ab und folgte ihm. Bei einem Baum blieben wir stehen und er kletterte voran.
Zögernd blieb ich unten stehen und schaute ihm nach. Nach einigen Metern merkte er es und wandte sich nach unten.

„Mach dir keine Sorgen, komm“

Na gut, dachte ich, legte meine Hände an den Baumstamm und begann zu klettern. Mit dem Klettern hatte ich keine Probleme, allerdings musste ich sehr auf mich aufpassen. Immer wieder konnte ich auf spitze Stellen oder Kanten stoßen.

Auf der richtigen Höhe angekommen, half er mir hoch und schaute immer wieder, ob bei mir alles in Ordnung war. Ich mochte nicht, wenn Gemeinschaftsmitglieder dies bei mir taten. Das ließ mich so schwach fühlen. Als wäre ich noch ein Kind. Dabei war ich schon erwachsen und arbeitete bereits für die Gemeinschaft. Da ich den Boden präferierte, durfte ich auf den Feldern arbeiten. Die Arbeit machte Spaß, doch auch dort musste ich aufpassen. Manche Pflanzen waren echt tückisch.

Ein weiterer Junge warf mir einen Ball zu, als er mich sah. Alle waren daran gewöhnt, dass ich nicht mitspielte und daher den Ball einwerfen konnte.
Ich musterte die beiden Teams und nickte schließlich. Einen Moment lang war alles still, bis ich den Ball warf. Von da an beobachtete ich das wilde Treiben. Zur Sicherheit hielt ich mich an dem vergleichsweise dünnen Stamm fest.

Sie spielten an einer Stelle, wo sich mehrere Zweige von verschiedenen Bäumen kreuzten. Als Tor hatten sie an zwei Stämme rote Kreise gemalt. Jetzt sprangen sie geschickt von Stamm zu Stamm und warfen sich den Ball zu. Ich fürchtete immer, dass jemand von ihnen stolperte, hinfiel oder sogar abstürzte, doch letzteres passierte nie. Wenn jemand stolperte, krallte er sich am Stamm fest, zog sich wieder hoch und klopfte schließlich seine Kleidung und Hände ab. Danach ging es weiter, als hinge das Leben nicht am seidenen Faden.

Hin und wieder pfiff ich, wenn jemand foulte, ansonsten schaute ich nur zu. Ich hatte mir schon oft Gedanken gemacht, ob ich nicht einfach mitspielen sollte, aber meine Angst war einfach zu groß. Da waren mir meine Gesundheit und mein Leben um einiges wichtiger.

Ball spielen – oder der Schiedsrichter sein – war eher eine Möglichkeit, Zeit herumzukriegen. Arbeiten, Essen und Schlafen nahmen den Großteil des Tages bereits weg, der Rest war fast durch das Spielen abgedeckt. Trotzdem gab es genügend Momente, in denen ich einsam war. Aber nicht alleine. Würde es mir helfen, wenn ich auch mal alleine war? Nicht nur für wenige Minuten, sondern auch mal für ein paar Stunden oder gar einen Tag?
Jeden weiteren Tag fragte ich mich, wie es weitergehen sollte, denn ich würde mich nie wie die anderen fühlen. Ich hatte sie ja alle gern, aber es war schon was anderes, wenn man ständig eingeschränkt mitmachen konnte. Oder eben nicht.

Nach dem Spiel kletterten wir wieder auf den Boden. Zwischenzeitig geriet ich kurz ins Straucheln, sodass ich mit verletzten Händen am Boden ankam. Überall waren kleine Schrammen und ich blutete ein wenig. Es tat weh, war aber auszuhalten. Aus Gewohnheit wollte ich bereits zum Bach laufen und die Wunden säubern, als jemand meine Schultern berührte.

„Komm, ich mach das“, sagte sie.

„Es geht schon“, versicherte ich ihr, „Ich möchte nicht, dass du deine Kräfte an mir verschwendest.“

„Ach, Lao.“ Sie seufzte und griff nach meinen Händen. Sie legte ihre Hände unter meine, damit sie sich die Wunden besser ansehen konnte. „Das ist doch keine Verschwendung, ich möchte dir doch helfen.“

„Aber nach der Heilung wirst du geschwächt sein“, hielt ich dagegen.

„Aber ich generiere mich schneller als du“, neckte sie mich. Sie war wirklich stur.

„Na gut“, seufzte ich. Schlussendlich gab ich immer nach.

Sie schloss ihre Augen und atmete ruhig ein. Ihre Hände begannen leicht zu leuchten und erreichten auch meine Haut. Ich beobachtete ihren konzentrierten Gesichtsausdruck und dann meine Hände. Langsam aber sicher schlossen sich meine Wunden. Es kribbelte leicht, war aber nicht schmerzhaft.

Nachdem sie ausgeatmet hatte, öffnete sie wieder ihre Augen. Sie lächelte.

„Du wirst wirklich immer besser“, lobte ich sie und strich über meine Hände. Nach Heilungen waren sie warm und weich.

„Danke!“ Sie strahlte. „Dir muss ich ja nicht sagen, dass du aufpassen sollst. Das weißt du schon. Gute Nacht, Lao“ Mit einem kecken Zwinkern verabschiedete sie sich und ließ mich in der Dunkelheit stehen.

Ich schaute in den klaren Abendhimmel und betrachtete die Sterne.
Sie waren wunderschön, doch mit mir meinten sie es nicht gut. Als Kind dachte ich immer, dass sie etwas Großes mit mir planen und ich deswegen anders war. Jetzt hatte ich allerdings verstanden, dass ich einfach nur unglaublich großes Pech gehabt hatte und nicht Besonderes dahinter steckte.

Denn ich konnte nicht heilen.

This entry was posted in Fantasy and tagged . Bookmark the permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert