Kapitel 1

Infos:

Jodie geht für die Gruppe einkaufen und kehrt genervt aus dem Supermarkt zurück, weil sie dort als “bloßer Mensch” schlechter behandelt wird und die schlechteren Produkte zu höheren Preisen kaufen muss. Auf dem Nachhauseweg geht sie durch dunkle Gassen zur Haltestelle, an der die Schwebebahn auf sie wartet, und sieht ein Plakat von einem Widerständler, der mal als Hoffnung für den Widerstand galt, aber vom System “beseitigt” wurde.
Wie sie war er einst Soldat und hat gesehen, wie grausam das System ist, weshalb er sich entschlossen hat, ohne Gewalt dagegen zu kämpfen und an das Mitgefühl der normalen Begabten zu appellieren. Doch auf dem Plakat wird er als grausamer Terrorist dargestellt, weshalb sie das Plakat herunterreißt.
Sie kehrt zur Schwebebahn zurück, die das Hauptquartier darstellt. Dort gibt es eine kleine, gesellige Szene, als die drei zusammen essen, dann rückt Chris damit heraus, dass er den Aufenthaltsort des Künstlers Lionel herausgefunden hat, den sie für die Revolution anheuern wollen.

Zusammenfassung:

Jodie, eine Rebellin gegen das Regime, geht für sich und ihre beiden Verbündeten einkaufen. Dabei wird deutlich, dass eine Art Apartheid herrscht, da im Supermarkt klar zwischen „Begabten“ und „Unbegabten“ unterschieden wird und Erstere eindeutig besser behandelt werden.

Auf dem Weg zu ihren Verbündeten sieht sie ein Plakat des als Terroristen bezeichneten „Orion“, von dem sie weiß, dass er in Wahrheit Pazifist ist. Wütend reißt sie es ab.

Dann kommt die Schwebebahn Nummer 645 an, von ihrem Verbündeten Chris gefahren. Sie trifft sich dort mit ihm und Ragnar und die erzählen, dass sie den:die Künstler:in Lionel ausfindig machen können, weil sie ein Kunstwerk von denen im Anfangsstadium gefunden haben.

Kapitel:

Jodie schlängelte sich zwischen einem Paar hindurch, das die Verfallsdaten zweier Tütensuppen miteinander verglich, während sie den Blick immer auf ihr Ziel gerichtet hatte: Die Kasse am linken Rand des Ladens, die zwar am weitesten vom Ausgang entfernt, dafür aber für Unbegabte zugänglich war.
Sie wollte sie unbedingt vor der Großfamilie erreichen, die ihr schon dicht auf den Fersen war, um die Wartezeit nicht unnötig in die Länge zu ziehen. Schon jetzt hatte sich eine Menschenschlange gebildet, die mit zunehmender Uhrzeit nicht kürzer werden würde, wie sie aus Erfahrung sagen konnte.
Ungeduldig stellte sie sich hinten an. Ausgerechnet heute hatte sie wirklich keine Lust darauf, Ewigkeiten mit dem Einkauf zu verbringen, während Chris und Ragnar im Hauptquartier hockten und als Erste die neuen Informationen über den Künstler bekamen.
Wenigstens leerte sich der Bereich vor ihr zusehends. Ihren Leidensgenossen ging es ähnlich wie ihr, deshalb scannten sie ihre Einkäufe in Rekordzeit mit geübten Handgriffen, um den Supermarkt so schnell wie möglich wieder zu verlassen.
Als sie an die Reihe kam, tat sie es ihnen nach. Sie konnte die bohrenden Blicke in ihrem Rücken praktisch spüren, denn was sie da unter den Scanner schob, konnte auch für besagte Großfamilie, die zwei Plätze hinter ihr war, für einen Monat reichen.
Daran hatte sie sich schon gewöhnt. Es war zu riskant, wöchentlich einkaufen zu gehen, weshalb sie immer darauf achtete, Produkte einzupacken, die lange haltbar waren. Auch wenn sie daraus leider nicht unbedingt Fünf-Sterne-Menüs zaubern konnten.
Kaum hatte sie alles in ihrem Rucksack und den darin mitgebrachten Stofftüten verstaut, machte sie sich auf den beschwerlichen Weg zum Ausgang, bei dem sie aufpassen musste, niemenschen mit ihren prall gefüllten Beuteln anzurempeln.
Gerade öffnete sich die automatische Tür mit einem Surren vor ihr, da wurde sie zur Seite gestoßen. Ärgerlich wollte sie dem Mann die Meinung sagen, schluckte den Kommentar aber herunter, als sie seine Kleidung sah. Der gehörte ganz sicher zu dieser verdammten Elite-Akademie. Sich mit dem anzulegen, würde sie teuer zu stehen kommen. Und das konnte sie gerade ganz und gar nicht gebrauchen, also senkte sie den Kopf, damit er ihre vor Wut sprühenden Augen nicht sah, und wartete, bis er und seine Freunde, die gerade über irgendeinen Witz so laut lachten, als wären sie alleine hier, an ihr vorbeimarschiert waren.
Was auch immer die hier taten. Vielleicht wollten sie sich einmal ansehen, wie das einfache Volk so lebte. Nötig hatten die es bestimmt nicht, die Restposten hier abzugreifen.
Dann setzte sie sich wieder in Bewegung, die Hände zu Fäusten geballt. Mit schnellen Schritten – Bevor noch jemensch auf die Idee kommen konnte, ihm würde der Platz, den sie gerade einnahm, zustehen – verließ sie den Laden und trat in die warme Nachtluft hinaus.
Neonreklamen leuchteten ihr entgegen, die Straße war fast taghell erleuchtet. Das würde sich aber ändern, sobald sie aus dem Einkaufsviertel herauskam und mit den Gassen verschmolz, die ihr schon immer Schutz vor fremden Blicken geboten hatten.
Es wurde zunehmend ruhiger, je weiter sie sich von dem Laden entfernte. Jodie zitterte innerlich. Sie war es gewohnt, diese Wege entlang zu gehen, aber gefallen tat es ihr trotzdem nicht. Den Griff um die Tüten verstärkt, näherte sie sich ihrem Ziel und zählte in Gedanken die Punkte ab, an denen sie noch vorbeigehen musste. Nur noch bis zur nächsten Station. Dort würde sie abgeholt werden und sie wäre sicher.
Es war dunkel geworden, als sie an der Station ankam. Die einsame Laterne, die den Platz ausleuchten sollte, surrte dumpf vor sich hin. Jodie konnte kaum einen Meter weit gucken. Chris und Ragnar waren noch nicht da. Sie legte ihre Tüten kurz ab und streckte sich. Kurz zuckte sie zusammen. Sie hatte das Gefühl, beobachtet zu werden, doch es war nur ein großes Plakat, das an der gegenüberliegenden Wand der Station hing. Die Figur darauf kam ihr irgendwie bekannt vor. Sie ergriff wieder ihre Tüten und näherte sich dem Plakat. Und sah sich Auge in Auge Orion gegenüber, beziehungsweise seinem Fahndungsbild.
Er hätte das Klischee des brutalen Terroristen nicht besser verkörpern können: Die Drone, die das Foto geschossen hatte, hatte ihn dabei erwischt, wie er gerade sein Sturmgewehr auf eine Person richtete, die abgeschnitten worden war. Er blutete aus einer Wunde an der Schulter und sein Gesicht war von fast unmenschlich wirkendem Hass verzerrt.
Ein ebensolches Gefühl überkam sie. Bevor sie über ihre Aktionen nachdenken konnte, hatte sie die Hand erhoben und riss es von der Wand. Nur noch ein Streifen, der die allgemeinen Informationen zur Zentrale zur Bekämpfung von innerstaatlichem Terrorismus beinhaltete, blieb übrig.
Jodie knüllte den Fetzen, den sie in der Hand hielt, zusammen und stopfte ihn in einen übervollen Beutel. Sie hatte nicht übel Lust, das zerknüllte Ding auf die Straße zu werfen, doch sie fürchtete sich vor den Konsequenzen. Betrübt schluckte sie ihre Wut herunter und schaute sich um. Wo blieben die beiden so lange? Während sie an der Station stand, schweiften ihre Gedanken zurück zu Orion. Er war kein gewalttätiger Mensch gewesen.
Er hatte friedlich gegen die Ungerechtigkeiten demonstrieren wollen, doch die Regierung hatte das sich ihr bietende Bild so verdreht, dass er als Terrorist dastand. Sie war sich nicht einmal sicher, ob er nach seinem Austritt aus der Armee, jemals wieder eine Waffe in der Hand gehabt hatte. Sobald ihm klar geworden war, was die Gewehre in den Händen der regierungstreuen Truppen angerichtet hatten, hatte er nie wieder eines benutzen wollen.
Die quietschenden Bremsen der Schwebebahn rissen sie aus diesen Erinnerungen. Misstrauisch vergewisserte sie sich, dass es die richtige Bahn war, Nummer 645, dann trat sie durch die sich öffnende Tür ein.
Während sie sich wieder schloss, ging sie direkt durch zur Führerkabine, in der sie ihre Verbündeten vermutete.
Bevor sie die Einkäufe einsortierte, wollte sie noch erfahren, was sie herausgefunden hatten. Denn wenn ihr Plan aufging, würden sie bald noch ein viertes Mitglied in ihre Reihen aufnehmen können.
“Hey, Jo”, begrüßte sie Ragnar mit einem Grinsen, das ihr eigentlich schon fast alles verriet, was sie wissen musste.
“Also habt ihr deren aktuellen Wohnsitz gefunden?”
“Jap. In der Altstadt, wie vermutet.”
“Nice. Ich räume kurz die Einkäufe weg, dann will ich jedes Detail wissen.”
“Du kennst mich.”
“Nur zu gut”, konterte sie, wobei sie sich ein Grinsen nicht verkneifen konnte.
Für die richtigen Fakten würde sie sich an Chris halten, der ihre Ankunft nur mit einem Nicken zur Kenntnis genommen und sich dann wieder der Bahnsteuerung zugewandt hatte.
Sobald sie im Bahnnetz untergetaucht waren, setzten sich die drei an den Esstisch. Draußen huschten die Lichter der Stadt an ihnen vorbei. Die sanft im Wind schaukelnde Gondel und das monotone Surren der Schienen über ihnen hatten sie aus Gewohnheit schon ausgeblendet. Sie löffelten schweigend ihre Tütensuppen bis der erste Hunger gestillt war. Jodie verbrannte sich fast ihre Zunge bei dem Versuch, die heiße Flüssigkeit herunter zu schlingen, so schnell es ging.
“Jetzt erzählt schon!”, forderte sie ihre Kollegen auf und trank einen Schluck Wasser, um ihren Gaumen zu beruhigen.
Ragnar leistete dieser Aufforderung nur zu gerne Folge: “Also, erst einmal: Unser Plan hat doch geklappt. Dieses Mal haben wir deren Kunstwerk schon im Anfangsstadium entdeckt und mussten nur noch warten, bis dey zum Tatort zurückkehrt.
“Mein Programm hat einwandfrei funktioniert. Ich habe alle bisherigen Werke analysiert und eine Software geschrieben, die deren Charakteristika erkennt. So wussten wir direkt, dass die Anfänge des Kunstwerks auf dem zurückzuführen sind”, unterbrach Chris ihn.
“Dey hatte eine Kapuze auf, weshalb wir uns erst nicht sicher waren, ob dey es wirklich ist, aber dann haben wir einen Kamerawinkel erwischt, bei dem wor deren Gesicht kurz sehen konnten. Und du wirst es nicht glauben…”
Es war unser künstlerisch begabter Freund?”, antwortete sie mit einem Grinsen, weil er offensichtlich darauf wartete.
“Genau! Die Überwachung war praktisch lückenlos, wir konnten dem direkt bis zu deren Wohnung verfolgen.”
“Wenn wir das können, kann die Regierung das schon lange”, gab sie zu bedenken.
Sie hatte nicht vorgehabt, die Freude über diesen Erfolg zu dämpfen, doch sie wollte keine Sicherheitslücke unerwähnt lassen, vor allem, wenn sie solche Konsquenzen haben konnte.
“Umso wichtiger, dass wir dem schnell zu uns holen.”

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